
Berlinde De Bruyckere (*1964, lebt und arbeitet in Gent, Belgien) gehört zu den bedeutendsten internationalen Bildhauerinnen der Gegenwart. Die faszinierenden und zugleich aufwühlenden Skulpturen der Künstlerin gehen den Betrachter*innen sprichwörtlich »unter die Haut«.
In ihrem Schaffen spielt der Mensch mit seinen physischen und seelischen Verwundungen eine zentrale Rolle. Die 34 gezeigten Werke sind Zeugnisse einzigartiger emotionaler Tiefe. Sie berühren uns in ihrer Verletzlichkeit und Melancholie, bewegen sich zwischen Vitalität und Tod, Harmonie und Deformation, Figürlichkeit und Abstraktion. Sie sind Zeugnisse sichtbarer und spürbarer Verwandlungsprozesse menschlichen sowie tierischen Lebens. Berlinde De Bruyckere verleiht ihnen eine geradezu sakrale Aura.
Dabei setzt sich die Künstlerin in ihrem Schaffen ausgiebig mit antiken Mythologien und christlichen Themen auseinander und adaptiert diese in die Gegenwart, die lebendiger nicht sein könnte. Ganz im Sinne des Ausstellungstitels PEL / Becoming the figure nähert sie sich durch unterschiedliche Herangehensweisen dem Werden ihrer Skulpturen. Die Palette reicht dabei von der Hülle, die einen Körper formt, über dessen Fragmentierung bis hin zu ausgeformter Körperlichkeit.
Die Darstellung der menschlichen Figur beruht bei De Bruyckere auf klassischen Gestaltungsprinzipien. Dabei spielt die Wahl des Materials Wachs, das malerisch von ihr bearbeitet wird, für die Realistik ihrer Skulpturen eine entscheidende Rolle. Besonders in einigen Werken werden Körperfragmente zu definierenden Elementen. Oftmals stark deformiert erinnern sie an fleischige Klumpen und verlangen den Rezipient*innen ein hohes Maß an Unerschrockenheit und empathischem Wahrnehmungsvermögen ab.
Die Unmittelbarkeit ihrer Werke verdankt sich der engen Zusammenarbeit mit einer Reihe von Tänzer*innen, mit denen die Künstlerin seit 2008 kooperiert. Allen voran der portugiesische Tänzer Romeu Runa (*1978, lebt und arbeitet in Brüssel), der während der Ausstellung im Arp Museum Tanz-Performances aufführen wird. Im Miteinander von bildender Kunst und Tanz zeigt sich, wie Körperhaltungen zutiefst ergreifende innere Verfassungen offenbaren.

Berlinde De Bruyckere | Lichaam (Corps), 2002-2006 © Berlinde De Bruyckere | Galleria Continua | Foto: Mirjam Devriendt

Berlinde De Bruyckere | It almost seemed a lily, 2019-2022 © Berlinde De Bruyckere | Collection of the artist | Foto: Mirjam Devriendt

Berlinde De Bruyckere | Marsyas, 2020 | © Berlinde De Bruyckere | Museum Voorlinden, Wassenaar, The Netherlands | Foto: Ela Bialkowska